Die Neigung des Schneiders Strapinski in der Novelle von Gottfried Keller, Fehler nicht zu korrigieren und Missverständnisse nicht zu klären, also zumindest indirekt weiter zu investieren, ist eine Variante der Verlusteskalation. Verluste, weil man in der Zukunft Schäden kommen sieht. Eskalation, weil kleine Fehler aneinandergereiht und aufeinander aufbauend sich wechselseitig verstärken, und weil das so entstehende Fundament die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht, dass noch weitere und folgenschwere Fehler hinzukommen.
Es lassen sich viele Parallelen ziehen zwischen dieser Novelle und der Geschäftswelt. Denken Sie z.B. an irgendein Projekt oder Geschäft, für das Sie verantwortlich sind. Die Mittel sind dafür verfügbar geworden (Personal, Geld usw.), aber nehmen wir an, das war nicht leicht. Sie haben einige Leute vorher lange und intensiv davon überzeugen müssen. Vielleicht war dann auch die Planung eine Herausforderung mit viel Arbeit und deshalb hat auch Ihr Privatleben darunter gelitten. Nehmen wir weiter an, das Projekt verläuft nun nicht ganz so erfolgreich, wie erhofft.
Was sagen und denken wohl alle, die von Ihnen für das Projekt gewonnen werden mussten, wenn sie das nun erfahren? Was sagt Ihr Vorgesetzter, was sagt Ihr Partner, wenn sich herausstellt, dass die früheren Entbehrungen im Privatleben -jedenfalls bis jetzt- ohne Nutzen an anderer Stelle waren?
Strapinski trifft Entscheidungen, die sich eher an seiner Vergangenheit orientieren, als an seiner Zukunft. Jedenfalls werden sie von der Vergangenheit stark beeinflusst. Er verhält sich eher irrational, weil er weiter durch das Gewähren lassen manchmal nur indirekt auch selbst investiert in eine Legende, und höchstwahrscheinlich muss er sich doch später sowieso daraus zurückziehen.
Je weiter er den Dingen seinen Lauf lässt, desto größer wird der Schaden sein, den er davontragen wird. Strapinski weiß das. Trotzdem lässt er es geschehen; jedenfalls unternimmt er nichts, um das zu beenden. Man könnte sagen, es ist in dieser Novelle wie manchmal auch im echten Leben. Einschließlich der Ängste, die sich dann beim Schneider Strapinski unweigerlich einstellen, und die von Gottfried Keller schön dargestellt werden.
Damit geht es dem Schneider Strapinski wie einer Führungskraft, die sich in einem Investitionspfad gefangen sieht. Beide dürften Angst haben, beide decken ihre trüben Gedanken ab und um sich davon etwas zu entlasten, setzen sie Rechtfertigungshilfen ein. Sie suchen und finden tatsächlich gute Gründe, um bei der Sache zu bleiben, weiter zu investieren, und nicht auszusteigen, und speziell im Fall von Strapinski, das Missverständnis nicht aufzuklären und sich den folgenden Ereignissen zu ergeben, obwohl die Wahrheit günstiger wäre.