Eigentlich ist es doch Quatsch, wenn Führungskräfte vor ihren Leuten stehen und an sie appellieren, indem sie sagen: Es ist wichtig, dass ihr fleißig seid! Seid kooperativ! Teilt dafür Informationen untereinander! Schon nach kurzer Zeit dürfte die Mehrzahl der Menschen wieder in die gewohnten Verhaltensweisen zurückfallen. Das bestätigt vielleicht auch Ihre Führungserfahrung.
Ökonomen trauen schon traditionell einem Anreiz eher dauerhafte Wirkung zu – auch Anreize für mehr Leistung sind problematisch – aber Appelle?! – Die sind noch viel problematischer. Ich hege größte Zweifel, dass sie das erwünschte Verhalten dauerhaft hervorbringen. Sie nutzen sich ja auch schnell ab, wenn sie wiederholt werden. Trotzdem werden Appelle von Führungskräften eingesetzt.
Die Literatur beschreibt Unternehmen häufig als Netze von Vertragsbeziehungen, also als eine Art Koalition der dort tätigen. Da lohnt es sich zu erinnern warum koaliert wird, obwohl die Interessen nicht deckungsgleich sind. Als Koalitionspartner kann man Ziele erreichen, die man höher schätzt als diejenigen Ziele, die außerhalb der Koalition erreichbar sind. Und das besondere Gefüge der Koalitionspartner macht die Unternehmung dann zusammen mit physischen Vermögensgegenständen hoffentlich zu etwas Einzigartigem, nämlich zu einem Korpus, der sowohl auf spezifische, quasi unverwechselbare Ressourcen, aber natürlich auch auf unspezifische, also allgemeine oder plastische Ressourcen zugreifen kann, um sie in Wertschöpfung einzubringen.
So gesehen repräsentieren Unternehmen also im Kern Ressourcenbündel, und die Ressourcen sind über Verträge, also wechselseitige Rechte, Pflichten, Leistungen und Erwartungen miteinander verwoben. Einiges davon ist explizit, anderes ist nicht explizierbar.
Einiges ist den Beteiligten bewusst und bekannt, anderes nicht, weil ihnen Erwartungen nicht klar sind oder waren, oder weil die Zukunft für alle ungewiss ist, wenn ein Vertrag geschlossen wird.
Wenn wir in Unternehmen zu Mitarbeitern sagen, dass sie schön fleißig sein und Informationen untereinander teilen sollen, um sich gegenseitig auf die Sprünge zu helfen, dann ist das höchst wahrscheinlich eine Kritik am Status quo; dann zeigen sie das erwünschte Verhalten aktuell offenbar nicht. Mitarbeiter können ihre Beiträge zurückhalten, und manchmal reduzieren sie sie sogar auf ein Niveau, das den Beteiligten gerade ausreichend erscheint, um den Fortbestand der Vertragsbeziehung zu sichern bzw. zu rechtfertigen. Wenn dieses weniger-leisten möglich ist, dann ist es wahrscheinlich, dass manche Teammitglieder das auch tun, nicht wahr? Welche Bedingungen tragen wohl dazu bei, dass Mitarbeiter eher weniger als mehr leisten?
- Wenn es von Führungskräften oder anderen nur zu hohen Kosten, kaum oder gar nicht nachvollzogen werden kann, was Einzelne genau tun. Dann ist ja auch unklar, ob sie mehr oder wirksameres tun könnten.
- Wenn die Mitarbeiter genau das wissen.
- Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Zurückhaltung von Inputfaktoren individuell kurzfristig ein höheres Nutzenniveau erreichen wollen und der Auffassung sind, dass das durch Minderleistung möglich ist.
Schon vor vielen Jahren haben die Autoren Armen Alchian und Harald Demsetz genau darauf hingewiesen: „Both, leisure and higher income enter a person’s utility function”. Production, Information Cost and Economic Organization heißt ihr Klassiker, der 1972 im American Economic Review erschienen ist.
Sowohl Freizeit als auch ein höheres Einkommen sind Variablen, die in die Nutzenfunktion einer Person eingehen. Das klingt wohl etwas hölzern, aber der Gedanke ist: Wenn sie während der Arbeit Freizeit erleben und an die Freizeit denken und danach handeln, profitieren sie sofort vom weniger-leisten; sie sparen z.B. Kraft, sie erleben weniger Stress; in der Regel bei konstantem Gehalt, insbesondere bei Teamproduktion.
„With team production it is difficult, solely by observing total output, to either define or determine each individual’s contribution to this output of the cooperating inputs. The output is yielded by a team, by definition, and it is not a sum of separable outputs of each of its members.“
Natürlich interessiert Unternehmer oder Führungskräfte der Output eines Teams. Der ist u.a. abhängig von den Beiträgen der Teammitglieder. Manchmal können Führungskräfte die Beiträge sehen und sicher auch messen, aber oft sind die individuellen Beiträge der Teammitglieder am Gesamtout nicht genau messbar. Und dieser Gedanke ist doch sehr interessant. Für Führungskräfte heißt das ja auch, dass sie managen sollen, was nicht messbar ist. Ist das möglich? Und woran will man die Führungsqualität der Führungskräfte dann selbst messen?
- Es ist es nur schwer möglich vom Output ausgehend zu erkennen und zu verstehen, welchen Beitrag einzelne Teammitglieder dafür genau geleistet haben.
- Der Output ist nicht die Summe separierbarer Einzeloutputs einzelner Teammitglieder, sondern viel mehr als das. Und dieses „mehr“ bezeichnen Ökonomen ja gern als Kooperationsrente.
Diese Überlegungen sind auch nicht nur für kleine Arbeitsgruppen wichtig, die umgangssprachlich häufig als „Teams“ bezeichnet werden. Vielmehr kann man das ganze Unternehmen so als ein großes Team sehen. Die Kräfte und Wirkungszusammenhänge sind im Kern gleich. Nur verstärkt sich vieles noch mit zunehmender Anzahl der Teammitglieder. Eigentlich begründen die Autoren damit, warum es Personalführung und Unternehmensführung als Disziplinen überhaupt gibt, ohne das explizit zu sagen.
Das Problem für die Eigentümer ist vordergründig nur die Minderleistung, die daraus resultieren kann. Alchian und Demsetz nennen in ihrem Aufsatz so ein Verhalten shirking, also das in Unternehmen gemeinhin unerwünschte „sich drücken“, „sich der Arbeit entziehen“. Das kann sich aus individueller Sicht lohnen, wenn die Kompensation bei Teamproduktion davon in Grenzen unabhängig und fix ist. Wenn diejenigen, die shirking betreiben geschickt dabei sind und ihr unerwünschtes Verhalten nicht auffällt, dann werden sie ja trotzdem voll kompensiert. Ökonomisch ist das aus individueller Sicht rational, wenn wir annehmen, dass Individuen eher nach einen größeren als einen geringeren Nutzen für sich streben. Und den größeren Nutzen erreichen sie, weil sie durch das „sich drücken“ während der Arbeitszeit Arbeit durch Freizeit substituieren. Oder um es noch anders und sehr praktisch zu sagen:
Die tatsächliche Arbeitszeit entspricht nicht der Verweildauer im Unternehmen, und der Arbeitseinsatz während der Arbeitszeit ist auch noch ein wichtiges Thema.
Vielleicht denken Sie jetzt: Moment mal, das stimmt doch so nicht. Dann können Sie wohl bei sich, in ihrem Unternehmen, Bereich, in ihrer Abteilung oder in ihrem Team genau erkennen, wer welchen Anteil am Gesamtoutput hat bzw. was leistet. Man müsste sich genauer ansehen, ob das in der Tiefe wirklich so ist, aber im Prinzip ist das natürlich möglich. Der Gedanke ist ja sehr naheliegend. Wenn wir anhand des Outputs nicht erkennen können, wer welchen Anteil daran hat, dann schauen wir uns eben den Input an. Aber erstens gibt es in der modernen Ökonomie unzählige Situationen, wo das nicht so ohne weiteres geht oder sinnvoll ist, und zweitens reicht das bei Teamproduktion nicht, denn das Teamprodukt ist ja per Definition mehr als Einzelbeiträge bzw. die Summe der Einzel-Outputs.
Aber nehmen wir mal an, Sie haben Recht, und die genau Identifikation der einzelnen Beiträge jeweiliger Teammitglieder ist bei Ihnen wirklich möglich. In dem Fall würde ich mutmaßen, handelt es sich dann eher um die Aneinanderreihung von separierbaren Einzelaktivitäten und damit nicht um Teamproduktion in einem strengen Sinn nach Alchian und Demsetz.
Stellen Sie sich eine Sturzhelm-Fertigung vor, die eine einfache Aneinanderreihung von Einzelaktivitäten gut illustrieren kann: A nimmt die Helmschale aus der Presse, reinigt sie und gibt sie B, der das Innenfutter einsetzt. B gib das Ganze weiter an C, der den Kinngurt anbringt, damit dann mit einer nächsten Einzelaktivität D das Visier daran klammen kann. E bringt noch einen schönen Aufkleber an, fertig ist der neue Sturzhelm.
Vermutlich spricht man in den Unternehmen der Sturzhelmfertigung gerne davon, dass dort der Zusammenbau der Sturzhelme vom Sturzhelm-Team erledigt wird, aber ökonomisch, so wie wir das hier jetzt ansehen, ist das keine Teamproduktion. Diese Art und Weise die Verrichtung der Arbeit zu organisieren, also als separierbare, vielleicht simple, repetitive Einzelaktivitäten, ist ökonomisch sogar weitgehend unproblematisch: Am Ende jedes Tages können wir ja genau sehen, wie viele Visiere D angebracht hat. Kontrolle ist also kostengünstig oder sogar kostenlos möglich. Wir könnten vorab vereinbaren, dass D für jede Anbringung z.B. 50 Cent erhält. Abends zählen wir dann durch. Wenn wir die 50 Cent mit der Anzahl der ordentlich angebrachten Visiere multiplizieren, haben wir einen glasklaren, also für die Beteiligten nachvollziehbaren Zusammenhang geschaffen zwischen der Leistung und der Kompensation für die Leistung. In dem Unternehmen können wir nun auch fair kompensieren: Jeder, der Visiere an den Sturzhelm klemmt, als diese Position ausfüllt, erhält pro Visier die vereinbarten 50 Cent.
Wenn das aber keine Teamproduktion ist, und die zwangsläufig Quellen von Ineffizienz birgt, dann strukturieren wir unser Unternehmen doch einfach gemäß der Sturzhelm-Fertigung. Tolle Idee! Wo das geht, wird das gemacht, aber natürlich muss man sehen: das geht insbesondere dann nicht, wenn Entwicklung im Spiel ist, wenn Mitarbeiter Ideen und Problemlösungskompetenz einbringen sollen, also ihren für spezielle Fragen sogar trainierten Verstand oder dispositiven Faktor; wenn sie Komplexität begegnen und dann Entscheidungen treffen müssen, um ihren Beruf erfolgreich auszuüben, oder wenn sie sogar ihre Intuition befragen müssen, um zu guten oder überlegenen Ergebnissen zu kommen. Tja, so sieht es aus. Ein Trost ist vielleicht: Solange noch Menschen in Unternehmen arbeiten, haben die Wettbewerber dieselben Probleme.
Wenn alle Unternehmer oder Führungskräfte im besten Fall nur annäherungsweise erkennen können, wer welchen Anteil am Gesamtoutput hat, dann stehen sie zwangsläufig ja immer wieder vor ähnlichen Fragen.
Könnte es sein, dass dieser Umstand für einige der Teammitglieder einen Anreiz dafür darstellt, eher weniger zu leisten, als mehr?
Ja, natürlich. Die Mehrleistung wird ja – wie die Minderleistung – doch nicht zuverlässig erkannt. Dann muss man als wohlmeinender Mitarbeiter natürlich befürchten, dafür auch nicht besonders kompensiert zu werden. Dann ist Zurückhaltung schlau und sie entspricht der Nutzenorientierung, die wir annehmen. Und wenn die Kompensation konstant bleibt, in Grenzen unabhängig von der Leistung, dann erscheint es wohl manchmal auch lohnend, Leistung zurückzunehmen. Wir können zwar von Unternehmen fordern, dass sie betragsmäßig gleich kompensieren, aber dann bleibt Kompensation trotzdem unfair, weil sich die Individuen verschieden einbringen und über verschiedene Kompetenzen und Möglichkeiten verfügen. Eine weitere höchst relevante Frage ist: Welches Niveau könnten wir bei Teamproduktion eigentlich erreichen?
Könnte es also sein, dass wir Mitarbeiter gar nicht unfair behandeln, weil wir kaum anders können als sie in Grenzen ungleich zu kompensieren? Ja, so sieht es wohl aus. Jenseits des Sturzhelm-Beispiels bleibt ja oft unklar, wer genau was leistet oder geleistet hat. Dann werden also manche Leute zwangsläufig zu hoch kompensiert, und andere zu gering. Es klingt vordergründig vielleicht ein bisschen verwegen, aber es bedeutet natürlich: Das ist selbst dann der Fall, wenn zwei Leute denselben Betrag bei gleicher Stellenbeschreibung erhalten. Eben weil sie verschiedene Individuen sind und über jeweils eigene Präferenzordnungen und unterschiedliche persönliche Ressourcen verfügen, die sie dafür einbringen können. Einigen fällt das sehr leicht, andere kommen schon beinahe an die Grenze ihrer Möglichkeiten.
Seit 1972, als dieser wichtige Aufsatz erschienen ist, sind natürlich unzählige weitere Aufsätze und Fachbücher zum Thema HR und Unternehmensführung erschienen. Viele schlaue Leute haben sich wichtige Gedanken gemacht. Und eigentlich kreisen sie alle um Überlegungen und Ideen, die dabei helfen sollen, trotz dieser Schwierigkeiten mit Menschen im Team produktiv zu sein, um im Wettbewerb beim Gewinnstreben bestehen zu können.
Dafür gehen diese Werke auf Motivation ein, und Fairness, auf Anreiz- und Kompensationsmodelle, Methoden der Kommunikation usf.; sie sollen Antworten liefern, Führungskräften zeigen, wie vorzugehen ist, und beantworten, welche Führungs- und Steuerungsstrukturen geeignet sind, um trotz der genannten Schwierigkeiten bei Teamproduktion ökonomisch Erfolge zu feiern.
Es wird wahrscheinlich auch einige Führungskräfte unter Ihnen geben, die jetzt in sich hineinhorchen und zustimmen, und vielleicht denken: Ja, so ist das mit der Teamproduktion in der Tat bei mir, in meinem Unternehmen. Dann haben Sie vielleicht einen groben Eindruck von der Kraft und Wirkung, mit denen sich einzelne Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Team tagtäglich einbringen, aber exakt können sie es nicht sagen, und manchmal ist ihr Eindruck vielleicht auch etwas getrübt, weil sie da nicht tief genug drinstecken, und auch noch so viel anderes zu tun haben.
Ich hatte ein Gespräch mit einem Bankvorstand, der fand es faszinierend, dass während der besonders kritischen Zeiten der Corona-Pandemie das riesige Bankgebäude beinahe menschenleer war, aber trotzdem das Geschäft der Bank wie gewohnt verlässlich weiterlief.
Aber das Homeoffice gefiel ihm trotzdem nicht. Er spekulierte, dass die Mitarbeiter zuhause bestimmt weniger arbeiten würden als im Büro. Beim Sturzhelm-Beispiel würde das Bummeln -ganz gleich ob der Mitarbeiter präsent ist oder das in Heimarbeit erledigt, sofort auffallen, wie gesagt ist es sehr kostengünstig oder sogar kostenlos überprüfbar, wie stark sich jemand einbringt. Da aber alle Beteiligten wissen, dass Kontrolle bei Teamproduktion ohne hohe Kosten nicht zu haben ist bzw. nicht perfekt funktioniert, kann das Bummeln stattfinden. Der Bankvorstand meint also wohl eigentlich, dass die Kontrollmöglichkeiten bei Präsenz im Gebäude wirksamer, wohl auch kostengünstiger möglich seien. Mit seiner Spekulation teilt er mit, dass die ausbleibende Kontrolle im Homeoffice von Mitarbeitern sofort ausgenutzt werden könnte.
Nun frage ich Sie, liebe Podcast-Hörer: Wenn es so ist, dass die Geschäfte der großen Bank verlässlich weiterlaufen und wir mal für einen Moment annehmen, dass die Menschen sich zuhause tatsächlich zwischendurch immer wieder mit privaten Themen befassen, welche Erkenntnis drängt sich dann auf bezüglich der Produktivität und der Wirksamkeit der Kontrolle des Inputverhaltens der Mitarbeiter im Bankgebäude? … Genau, die dortigen Führungs- und Steuerungsstrukturen begrenzen die Möglichkeiten. Die dort vorherrschenden Kontrollmechanismen sind vielleicht nicht effektiv, oder Mitarbeiter im versteckten Bummelstreik verstehen es einfach gut, sich dieser Mechanismen mehr oder weniger wirksam zu entziehen.
Bei mehr oder weniger festgelegten Globalzielen, die das Team erreichen muss, entsteht durch das Shirking Einzelner eine Last, die alle übrigen zusätzlich tragen müssen; sie wird auf alle übrigen Teammitglieder abgewälzt oder verteilt, und wenn es sich bei den Übrigen um viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt, dann bedeutet das für den Einzelnen nur geringes, zusätzliches Gewicht, das kaum oder gar nicht auffällt. Das zu messen ist wohl nicht möglich, weil die Folgen letztlich Wettbewerbsnachteile des Gesamtunternehmens auf Märkten sind. Und solche Nachteile werden von ungeheuer vielen Kräften beeinflusst, z.B. von den anderen Wettbewerbern oder der Besteuerung, der politischen Situation oder den sich im Laufe der Zeit ändernden Wünschen und Vorstellungen der Zielgruppen. Und natürlich auch von dem Talent und den Entscheidungen der eigenen Geschäftsführung. Wie soll man das alles auseinander halten?
Alchian und Demsetz sagen dazu nur dies: „If his relaxation cannot be detected perfectly at zero costs, part of its effects will be borne by others in the team, thus making his realized cost of relaxation less than the true cost of the team.“
Ich habe eben schon gesagt, dass eine Lösung des Problems oft darin gesehen wird, in die Kontrolle der Teams zu investieren. Einerseits schmälert dann dieser Aufwand das Ergebnis, andererseits -so die Hoffnung- ist aber bei wirksamer Kontrolle die Produktivität höher. Bei einer groben Einschätzung könnte man darauf kommen, dass Unternehmen Formen der Kontrolle sinnvoll einsetzen, wenn die Erträge aus Kontrolle die Kontrollkosten übersteigen. Aber wer genauer hinsieht, dem drängt sich auf: Zu den „Kosten“ müssen auch etwaige Nebenwirkungen addiert werden, die sich aber nur mit Schwierigkeiten addieren lassen, wie z.B. eine durch Kontrolle möglicherweise eingetrübte Arbeitsatmosphäre. Wie das auch immer im Einzelfall gesehen wird: Fast überall finden wir in den Organisationen der Wirtschaft differenzierte, manchmal sehr offene, manchmal auch subtile Formen der Kontrolle. Und das führt zu der spannenden Frage, ob ein Unternehmen vorstellbar ist, das ohne Kontrolle auskommt. Denn wenn das möglich wäre, hätte es erst Kostenvorteile und dann Wettbewerbsvorteile. Ich würde sagen: Ja, im Prinzip ist das vorstellbar. Wenn das Vertrauen absolut ist, oder wenn der Unternehmer bezüglich des Shirkings ein Risiko einzugehen bereit ist. Er könnte ja auf Kontrolle vollständig verzichten, wenn er keine guten Gründe für absolutes Vertrauen sieht. Das Risiko besteht für Eigentümer dann darin, dass Humanressourcen nicht ihrer besten Verwendung zugeführt werden dürften, obwohl das Gehalt in voller Höhe gezahlt wird. Wer mit diesem Risiko unternehmerisch leben kann, könnte Kontrolle vermeiden, weil oder wenn er sich mit den adversen Effekten der Kontrolle die Unternehmenskultur nicht verderben will. Aber wer kennt schon ein Unternehmen, in dem es wirklich keinerlei Kontrolle und keine Anreize gibt?! Und dass es beides gibt zeigt ja schon deutlich, dass die Menschen dort das erwünschte Verhalten von selbst nicht einfach so und selbstverständlich zeigen.
Kontrolle kann ja sehr schädliche Effekte hervorbringen, die meine ich mit den adversen Effekten. Jede Form der Kontrolle sendet Misstrauenssignale an die Kontrollierten. Neben den Kosten wirkt sie damit immer auf die Kultur der Unternehmung. Darum könnte es sich tatsächlich lohnen auf bestimmte Varianten der Kontrolle sehenden Auges zu verzichten. Allerdings muss man natürlich auch beachten, dass sich das Gesamtteam vor Ausbeutung durch Einzelne schützen kann, wenn die Teammitglieder bestimmten Formen der Kontrolle zustimmen; wenn Kontrolle also ausgeübt wird. Als Mitarbeiter der eigenen Kontrolle zuzustimmen, das klingt zunächst mal kontraintuitiv, kann aber durchaus rational sein. Zugleich wird Kontrolle aber für die Mitarbeiter, in deren Nutzenfunktion auch die Erholungseffekte aus dem Dienst nach Vorschrift eingehen, einen starken Anreiz dafür auslösen, intelligente Umgehungsmechanismen zu erfinden und einzusetzen. Unternehmen mit Teamproduktion brauchen also mit Blick auf Kontrollmechanismen Maß und Mitte. Das richtige Maß zu finden ist damit Führungsaufgabe und eine interessante Frage der jeweiligen Umstände und des Kontexts, also des Einzelfalls.
Sie kommt also die Kontrolle der Mitarbeiter in die Unternehmen.
Aber die viel zu einfache Haltung von Unternehmenslenkern würde dazu lauten: Je mehr wir in unserem Unternehmen kontrollieren, desto weniger wird es möglich sein, nur den Dienst nach Vorschrift zu leisten. Denn bei genauerem Blick findet das Shirking ja auch statt, weil insbesondere bei Teamproduktion nicht jedes unerwünschte Verhalten durch Varianten der Kontrolle aufgedeckt werden kann. Beim Sturzhelm-Beispiel ist das wie gesagt anders. Minderleistung fällt dort sofort auf und damit wird sofort verständlich, ob es A, B, C oder D war, der da vielleicht nicht ordentlich gearbeitet hat. Das ist ja gerade der Grund dafür, warum es sich aus unternehmerischer Sicht lohnen kann, den eigenen Laden nach dem Beispiel und Prinzip der Sturzhelmfertigung zu organisieren, wo es nur möglich ist.
Die Autoren Alchian und Demsetz gehen da für jemanden, der sich damit vielleicht noch nicht beschäftigt hat, sehr weit und sagen „Das Unternehmen besitzt nicht alle seine Inputs. Es hat keine Verfügungsgewalt, keine Autorität, keine disziplinarischen Maßnahmen zur Hand“… usw.
Damit weisen sie auf die Besonderheit hin, die den Erwerb der Arbeitskraft von dem Erwerb z.B. eines physischen Vermögensgegenstandes unterscheidet. Am physischen Vermögensgegenstand könnte der Unternehmer das vollständige Rechtsbündel halten und auch alle Rechte durchsetzen. Beim „Erwerb von Arbeitskraft“ -wobei das so natürlich in Anführungszeichen steht- ist das unter den Bedingungen der Teamproduktion nicht möglich. Ökonomisch gesprochen und kurz gesagt bleiben Mitarbeiter bei Teamproduktion auch dann Eigentümer ihrer Ressource Arbeitskraft, wenn sie diese an ein Unternehmen verkauft haben. Damit ist ausgerechnet die Allokation dieser wichtigen Ressource nicht nur dem Unternehmer überlassen. Vielmehr reklamieren mehrere Akteure zur selben Zeit Rechte an derselben Ressource und wollen diese Rechte auch ausüben. Das führt zu externen Effekten der Ressourcennutzung, zu Konflikten, und in milderer Form zu kontinuierlichen Nachverhandlungen, die dann im Gewand eines Appells, einer Anweisung, einer Bitte, einer motivierenden Rede vor Mitarbeitern und vielem mehr in der betrieblichen Realität daherkommen.
Solange also Mitarbeiter die Möglichkeit haben, bei Teamproduktion weniger zu leisten, als sie leisten könnten, so lange werden sie bei Teamproduktion ungleich bezahlt. Und weil dieses Phänomen in den Augen der Unternehmer weiterhin eine Herausforderung und Kostenposition ist, werden sie der neben vielerlei Führungs- und Steuerungsstrukturen zukünftig auch immer mehr mit Digitalisierung begegnen. Kurz gefasst werden wir in einer extremen Form sehen, dass dort, wo Mitarbeiter Arbeit durch Freizeit substituieren, die Unternehmer immer mehr die Mitarbeiter durch Digitalisierung substituieren. Also, liebe Podcast Hörer, mit der steilsten These dieser Episode wünsche ich weiterhin gute Entscheidungen.